
In meinen Feedback-Workshops stellt sich immer wieder heraus, dass es den Teilnehmenden schwerfällt, kritisches Feedback zu geben aus Angst vor der Reaktion des Gegenübers.
„Dann heult die wieder und rennt raus.“
„Dann kann der mich nicht mehr leiden.“
„Dann hält der mich für eine Zicke.“
„Dann ist es vorbei mit der guten Zusammenarbeit.“
„Ich mag sie doch und möchte nicht, dass sie sich wegen mir schlecht fühlt.
Und so weiter und so fort…
Vielleicht geht dir das auch so. Und vielleicht hilft dir dieser Gedanke:
Wenn du Feedback als etwas verstehst, was für dein Gegenüber wertvoll ist und dich im Vorfeld fragst, warum es dir wichtig ist, dieses Feedback zu geben, dann kannst du aufhören, es als etwas Fieses einzuordnen und anfangen, Feedback freundlich und klar zu geben.
Feedback bedeutet ja nicht, dass wir meckern, weil es uns gerade in den Kram passt.
Gute Gründe für Feedback
Es gibt immer mindestens einen guten Grund, warum wir Feedback geben. Dies könnten Gründe sein:
- Wachstum ermöglichen – Feedback zeigt auf, wo Entwicklungspotenzial liegt. (Gerade wenn du Menschen in Ausbildung begleitest, ist das immens wichtig)
- Fehler frühzeitig korrigieren – rechtzeitig angesprochen, lassen sich kleine Probleme beheben, bevor sie groß werden. (Und du bewahrst dein Umfeld davor, den selben Fehler noch einmal zu machen)
- Missverständnisse aufklären – manchmal steckt hinter Kritik nur ein falsch verstandenes Signal, das man auflösen kann. (Also lieber ehrlich sagen und dann fällt dir ein Stein vom Herzen.)
- Gemeinsame Ziele sichern – durch Feedback wird sichergestellt, dass alle in die gleiche Richtung gehen. (Wer bewegt sich schon gern auf dem Holzweg?)
Was ist dein Grund, Feedback zu geben? Bestimmt etwas, das im Kern positiv ist, oder? Die Basis ist also geschaffen und nun kann es an die inhaltliche Vorbereitung des Gesprächs gehen.
Vorbereitung deines Feedback-Gesprächs
Um dich gut vorzubereiten, stelle dir diese Fragen:
- Was ist der Fakt, den ich ansprechen möchte? Was stört mich konkret?
- Was sagt das über meine Haltung und Werte aus? Welche Bedürfnisse werden nicht erfüllt? Was löst das in mir aus?
- Was wünsche ich mir? Welchen machbaren Vorschlag habe ich, wie die „Störung“ behoben werden kann?
Du spürst schon, hier geht es darum, inhaltlich bei dir zu bleiben. Schuldzuweisungen oder Anklagen haben da einfach keinen Platz. Am besten machst du dir Notizen zu den drei Fragen, damit du sie nicht aus dem Blick verlierst.
Wenn du vor dem Gespräch selbst Muffensausen hast, dann hilft dir vielleicht diese kleine Atemübung:
Atme tief ein und zähle dabei in Gedanken bis 4.
Halte den Atem und zähle wieder bis 4.
Atme aus und zähle dabei bis 7.
Wiederhole diese Übung einige Male und du wirst spüren, dass du ganz ruhig wirst. Lächle nun und sag dir in Gedanken: „Ich freue mich auf das Gespräch. Ich werde viel über mein Gegenüber erfahren.“
Das ermöglicht, dass du ganz unvoreingenommen und freundlich in das Gespräch gehst. Wiederhole diesen Satz gern, wenn du das Gefühl hast, du urteilst über dein Gegenüber in einer Weise, die für das Gespräch nicht hilfreich ist.
Nun fühlst du dich gut vorbereitet und weißt, dass du der Person etwas Gutes tun möchtest, indem du ihr klares, ehrliches Feedback gibst.
Das SBI-Feedback-Modell
Passend zu den Fragen, die du bei deiner Vorbereitung schon beantwortet hast, kannst du den Einstieg in dein Feedbackgespräch mit Hilfe des SBI-Modells strukturieren.
S… Situation
Wann und wo hat das Verhalten stattgefunden?
–> Gib den konkreten Kontext an.
B…Behavior
Was genau hat die Person getan oder gesagt?
–> Beschreibe das beobachtete Verhalten, ohne zu bewerten oder etwas hinein zu interpretieren.
I…Impact
Wie hat das Verhalten auf dich gewirkt?
–> Beschreibe die Auswirkungen z. B. auf deine Gefühle, auf Ergebnisse, die Zusammenarbeit.
Denke immer daran:
Wer Feedback gibt, zeigt, dass ihm die Zusammenarbeit und das Ergebnis nicht egal sind.
Der richtige Rahmen für dein Feedbackgespräch
Der richtige Rahmen unterstützt das Gespräch. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass kritisches Feedback am besten unter 4 Augen besprochen wird und nicht vor versammelter Mannschaft. Denn du möchtest dein Gegenüber nicht vor dem Team bloßstellen, sondern ihm ermöglichen, deine Sichtweise zu verstehen.
Das Feedback sollte zeitnah zur Situation erfolgen, aber nicht zwischen Tür und Angel, wenn du eigentlich gar keine Nerven für solch ein möglicherweise aufwühlendes Gespräch hast. Macht euch einen Termin aus, räumt euch genügend Zeit ein und quetscht den Termin nicht zwischen zwei andere wichtige Gespräche.
(Es ist sowieso eine Unart, sich nahtlos Termine in den Kalender zu schreiben. Lass das zukünftig lieber sein und plane dir bewusst Pausen zwischen den Terminen.)
Ich persönlich bin auch ein Fan davon, die gewohnte Umgebung zu verlassen. Vielleicht erinnerst du dich, wie du dich gefühlt hast, als du damals zu deinem Chef oder deiner Chefin ins Büro zitiert wurdest für ein Gespräch. Ich jedenfalls hatte vor allem in jungen Jahren echt Angst und hab mir Sorgen gemacht, was ich alles falsch gemacht haben könnte. Was für ein Druck, der da auf einem lastet. Dass dann Emotionen überkochen, ist im Grunde gar kein Wunder.
Also raus aus dem Chefbüro und am besten gemeinsam an die frische Luft. Feedback-Spaziergänge kann ich nur empfehlen. Niemand muss darüber nachdenken, wie er sich hinsetzt, wohin er guckt, was er mit den Händen macht. Wenn man nebeneinander läuft, fühlt sich auch das Machtgefälle ein bisschen kleiner an.
Spaziergänge magst du nicht und bist überzeugt, dass dein Büro der beste Ort ist? Dann bleibe wenigstens nicht hinter deinem Schreibtisch sitzen, sondern setze dich zu der Person. Ohne diese Barriere, die schreit: „Ich bin hier der Boss und du sitzt auf der anderen Seite der Macht.“
Fazit:
Nimm dir wirklich Zeit für das Gespräch und versuche, angenehme Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Aufmerksamkeit und Augenhöhe möglich sind.
Aufrichtigkeit ist das A und O
Wenn du nun zunächst deine Beobachtung teilst (also die Antwort auf Frage 1 aus dem Abschnitt „Vorbereitung“), dann schau die Person an. Offene Körperhaltung. Aufrichtiges Lächeln. Überhaupt: Aufrichtigkeit ist das, was wirklich zählt, wenn dein Feedbackgespräch gut laufen soll. Dein Gegenüber darf spüren, dass es dir wichtig ist und dass du ehrlich bist. Und dass du gern seine Perpektive verstehen möchtest, damit eine gemeinsame Lösung möglich wird.
Aus meiner Sicht ist die Wortwahl gar nicht so entscheidend. Wenn wir es wirklich gut meinen und Ich-Botschaften verwenden, aufmerksam zuhören, wenn unser Gegenüber etwas erwidert und Fragen stellen, um zu verstehen (und nicht Befehle bellen, um recht zu bekommen), dann wird das ein gutes Gespräch.
Aufrichtigkeit kannst du im Übrigen nicht spielen. Dein Gegenüber wird merken, wenn du nicht ehrlich bist. Wenn du also mit einer Ladung Vorurteilen oder unguten Gefühlen in das Gespräch gehst, wird es schwierig, aufrichtig und freundlich zu bleiben. Ich weise hier nochmal auf die Atemübung unter „Vorbereitung“ hin. Versuche das beim nächsten Gespräch, vor dem dir echt ein bisschen Bange ist.
Wie kannst du reagieren bei emotionalen Ausbrüchen deines Gegenübers?
Bleib ruhig. Ich weiß, einfacher gesagt als getan. Auch hier hilft wieder bewusstes Atmen. Atme also tief durch. Wenn dein Gegenüber sich nicht so verhält, wie du es erwartest, dann denke bitte immer daran, dass die Person bisher noch keine angemessene Strategie kennengelernt hat, um mit Kritik umzugehen. Ihre emotionale Reaktion zeigt, dass es ihr nicht egal ist. Nimm das als positives Signal und bleibe zugewandt. Urteile nicht. Bleibe aufmerksam. Lass die Person ausreden.
Versuche es doch mal mit diesem oder einem ähnlichen Satz:
„Ich sehe, dass dich das sehr ärgert/mitnimmt. Danke, dass du mir deine Sichtweise mitgeteilt hast. Hast du eine Idee, wie wir zukünftig vorgehen könnten?“
Das ist in jedem Falle besser, als:
„Och, das ist doch kein Grund zum Weinen. ich habe doch gar nichts Schlimmes gesagt.“
oder
„Jetzt schreien Sie hier mal nicht so rum. Dann machen Sie doch einfach, was Ihnen gesagt wird. Ist doch Ihre Schuld, dass wir dieses Gespräch schon wieder führen müssen.“
Fazit:
Bleibe mitfühlend und aufrichtig. Höre aufmerksam zu. Unterbrich dein Gegenüber nicht. Stelle Fragen, wenn dir etwas unklar ist und wenn du deinem Gegenüber die Möglichkeit eigener Ideen geben möchtest.
Ich freue mich, wenn dir diese Impulse in deinem nächsten Feedbackgespräch helfen. Du hast Fragen oder Erfahrungen, die du gern teilen möchtest? Dann lass einen Kommentar da.
Klar sprechen. Wirksam führen . Zusammenarbeit stärken.
Ich bin Sandra. Als Kommunikationstrainerin und Rhetorikcoach unterstütze ich Teams, die täglich viel miteinander sprechen, abstimmen und entscheiden müssen – sei es im Büro, in Kliniken oder in sozialen Einrichtungen. Für ein aufrichtiges Miteinander und gute Ergebnisse.
In deinem Team wird entweder geschwiegen oder immer nur hinterm Rücken gemeckert, aber nichts geht voran? Lass uns das gemeinsam ändern, denn so wie es jetzt ist, nervt es alle Beteiligten.
Lies auch gern meinen Blogartikel zu Radical Candor und Gewaltfreier Kommunikation.