Was du nicht sagst, lässt Raum für Interpretation
Stell dir vor, du fragst im Büro: „Wie läuft euer Projekt?“
Und die Antwort lautet: „Also die Kaffeemaschine auf unserer Etage ist endlich repariert.“
Was würdest du denken?
Vermutlich sowas wie: Das Projekt läuft also so richtig bescheiden, wenn jetzt die Kaffeemaschine ins Spiel gebracht wird.
Obwohl die Antwort rein sachlich nichts über das Projekt sagt, interpretierst du direkt etwas hinein.
Und das ist ganz natürlich, denn:
In einem Gespräch gehen wir automatisch davon aus, dass unser Gegenüber kooperativ ist und relevante Informationen liefert.
Dank eines Kommentars auf einen meiner LinkedIn-Post bin ich auf den Sprachphilosophen Paul Grice und seine Konversationsmaximen gestoßen. Die sind so gut, dass ich diese unbedingt mit dir teilen möchte. Hier geht es um Kooperation. Das gefällt mir persönlich sowieso immer gut.
Grice hat aus diesem Kooperationsprinzip vier Konversationsmaximen abgeleitet – quasi ungeschriebene Regeln, die häufig unser Sprachverhalten lenken:
– Maxime der Quantität
– Maxime der Qualität
– Maxime der Relevanz
– Maxime der Modaliät
Wenn auch nur eine dieser Maximen verletzt wird, nehmen wir an, dass dahinter eine tiefere Bedeutung steckt. Diese impliziten Botschaften machen Sprache spannend und manchmal echt herausfordernd.
Aber schauen wir uns das mal genauer an.
Maxime der Quantität
Sag nicht zu wenig und nicht mehr als nötig.
Beispiel: Du wirst gefragt, wie viele Leute beim Meeting waren. Du antwortest: „Etwa 15.“
Statt: „Es waren 15 Männer, drei Frauen, zwei kamen zu spät und eine ist kurz rausgegangen, um aufs Klo zu gehen.”
Wenn du davon ausgehen kannst, dass dein Gegenüber sich nur für eine ungefähre Anzahl interessiert, dann lass all die zusätzlichen Infos einfach weg.
Maxime der Qualität
Sag nur, was du für wahr hältst.
Beispiel: In einem Bewerbungsgespräch behauptest du nicht, du seist Excel-Profi, obwohl du es kaum benutzt hast.
Da schwindeln bestimmt einige Menschen, aber das kann am Ende echt dumm ausgehen, wenn sie aufgefordert werden, einen XVERWEIS zu machen.
Manchmal ist es vielleicht nützlich, nicht ganz ehrlich zu sein, aber ich bin überzeugt, dass die meisten Menschen auch mit der Wahrheit umgehen können. Versuch es doch mal, wenn du das nächste Mal gedanklich schon ein bisschen am verdrehen und verbiegen der eigentlichen Information bist.
Maxime der Relevanz
Sag nur, was relevant ist.
Beispiel: Im Jour Fixe geht es um Projektverzögerungen. Du antwortest sachlich dazu – und nicht mit „Ach, übrigens, ich war am Wochenende im Kino und da lief dieser tolle Film über …“
Auch das ist etwas, das immer wieder kritisiert wird: Menschen, die lange sprechen, aber nichts sagen, was gerade zum Thema gehört. Ertappst du dich selbst dabei, weil du vielleicht die Stimmung aufhellen möchtest? Hinterfrage einmal, ob das wirklich gerade passt. Wenn nicht, bleibe sachlich. Und wenn in euern Meetings immer eine Person so viel Zeit verschwendet, sprich es freundlich an. Wahrscheinlich merkt es die Person nicht und wenn doch, dann hatte sie keine böse Absicht.
Maxime der Modalität (bzw. Klarheit)
Drücke dich klar, deutlich und strukturiert aus.
Sich vorher genau zu überlegen, was die Kernbotschaft ist, ist unerlässlich, wenn du dich klar ausdrücken möchtest.
So hier geht es jedenfalls nicht:
„Wir könnten ja vielleicht, also ich meine, unter der Voraussetzung, dass das genehmigt wird, eventuell nochmal Rücksprache halten mit den anderen – wegen dem Ding, was wir letzte Woche besprochen haben.“
Viel besser:
„Ich schlage vor, dass wir am Donnerstag Rücksprache mit Team B halten, bevor wir den Bericht finalisieren.“

Ich erlebe häufig, dass schon bei der Maxime der Quantität einiges schiefgeht. Und zwar anders, als das Beispiel oben zeigt. Es wird nämlich oft davon ausgegangen, dass das Gegenüber bestimmte Informationen bereits hat. Das kann sein, muss aber nicht. Wir können schließlich nicht in den Kopf anderer Leute gucken, also wissen wir im Grunde absolut nicht, was er/sie weiß und was nicht. Deshalb ist es vielleicht hilfreich, einem bestimmten Schema zu folgen, wenn wir etwas sagen, damit wir nicht zu wenig Kontext mitgeben.
Ein Beispiel dazu: Stelle dir folgende Fragen, bevor du in einer konfliktreichen Situation sprichst:
– Was konkret habe ich beobachtet?
– Was hat das in mir ausgelöst?
– Welches Bedürfnis wurde nicht befriedigt?
– Was brauche ich, damit dieses Bedürfnis befriedigt wird?
Wer jetzt denkt: Das sind doch die Schritte der Gewaltfreien Kommunikation, bekommt gedanklich ein wunderhübsches Bienchen. Denn das ist korrekt.
Wenn du mehr von dem mitgibst, was in deinem Kopf vorgeht, kann das Gegenüber besser verstehen, worum es dir geht.
Dabei sollst du natürlich schon aussieben und nicht zu viel drumherum reden. Überlege gut, was deine Botschaft nur verwässert und lass dies einfach weg.
Ist es zu viel, ist es zu wenig?
Wie kannst du nun wissen, ob du die Maxime der Quantität erfüllt hast?
Mein Tipp für dich:
Hinhören, was dein Gegenüber erwidert.
Klärende Fragen stellen.
Hinhören, was dein Gegenüber erwidert.
Antworten.
Das passt im Grunde für jedwedes Gespräch.
(Weiter unten habe ich dir noch eine Checkliste eingefügt, die ChatGPT zu den Maximen erstellt hat.)
In deinem Team ist von kooperativer Konversation nicht so viel zu spüren? Es werden Informationen zurückgehalten, es wird ironisch gekontert oder gar geschwiegen und dann hinterm Rücken geredet?
Das muss nicht so sein. In meinem kostenfreien Webinar “Schweigen kostet – nicht nur laute Konflikte werden teuer” habe ich einige Impulse und Übungen für dich, damit dein Team wieder offen miteinander spricht und nicht mehr heimlich übereinander.
Checkliste für gelungene Kommunikation nach Grice von ChatGPT
1. Maxime der Quantität (Menge)
Sage nicht zu viel und nicht zu wenig.
– Habe ich alle notwendigen Informationen gegeben?
– Habe ich auf unnötige Details oder Wiederholungen verzichtet?
– Ist mein Beitrag in der Situation angemessen umfangreich?
2. Maxime der Qualität (Wahrheit)
Sage nur, was du für wahr hältst und belegen kannst.
– Bin ich sicher, dass meine Aussage stimmt?
– Spreche ich über Tatsachen oder Meinungen – und mache ich das kenntlich?
– Vermeide ich Übertreibungen oder unbelegte Behauptungen?
3. Maxime der Relevanz (Beziehung)
Bleibe beim Thema.
– Passt meine Aussage zum aktuellen Thema oder Gesprächsziel?
– Vermeide ich Abschweifungen, Anekdoten oder irrelevante Infos?
– Unterstützt mein Beitrag das gemeinsame Gesprächsziel?
4. Maxime der Modalität (Art und Weise)
Drücke dich klar, verständlich und geordnet aus.
– Habe ich mich verständlich ausgedrückt?
– Sind meine Aussagen logisch aufgebaut?
– Habe ich auf unnötige Fachsprache, vage Begriffe oder komplizierte Sätze verzichtet?
Extra-Tipp: Verstöße bewusst einsetzen
Nicht jede Verletzung einer Maxime ist schlecht – Ironie, Höflichkeit oder Andeutungen leben von genau solchen „Verstößen“. Wichtig ist: Sie sollten bewusst und kontextgerecht eingesetzt werden.
Welche der Maximen ist für dich eine besondere Herausforderung? Schreib es mir in den Kommentaren.
Ich bin Sandra. Als Kommunikationstrainerin und Rhetorikcoach unterstütze ich Teams aus Verwaltungen und Bildungseinrichtungen, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren und so besser und freudvoller zusammenzuarbeiten. So klappt das mit der Mitarbeiterbindung und den Ergebnissen.
In deinem Team wird entweder geschwiegen oder immer nur hinterm Rücken gemeckert, aber nichts geht voran? Lass uns das gemeinsam ändern, denn so wie es jetzt ist, nervt es alle Beteiligten.